Wer gibt hier den Takt an? - Über Takt und Tempo beim Reiten
Der Takt steht in der Skala der Ausbildung ganz unten an der Basis. Das heißt, alle Elemente, die darüber stehen, können ohne die Fähigkeit des Pferdes den Takt zu halten nicht korrekt ausgeführt werden. Gerät das Pferd aus dem Takt zeugt dies davon, dass das Gleichgewicht des Pferdes gestört ist und es sich mit Tritten außerhalb seines Taktes beim Laufen behelfen muss, um sein Gleichgewicht zu halten. Ganz deutlich kann dieses außertaktmäßige Fußen bei einer Lahmheit beobachtet und vor allem gehört werden.
Idealerweise findet jedes junge Pferd am Anfang seiner Ausbildung zuerst seinen Takt bevor es weiter ausgebildet wird. Das Tempo wiederum, indem der Takt ausgeführt wird, kann nach und nach (mit verbessertem Gleichgewicht und Koordination des Pferdes) vom Reiter reguliert werden. Folglich gibt das Pferd den Takt vor und der Reiter das Tempo.
Takt und Tempo – alles Eins?
Bei Reitern wird häufig Takt mit Tempo gleichgesetzt. So werden z.B. bei einer Trab- oder Galoppverstärkung oft der Takt und das Tempo gleichermaßen erhöht, d.h. das Pferd wird einfach schneller und gerät ins Rennen. Das ist aber nicht korrekt, da der Takt in allen Lektionen erhalten bleiben soll. In den sogenannten Tempounterschieden wird – idealerweise - nicht der Takt des Pferdes vom Reiter beeinflusst bzw. verändert, sondern nur der Raumgriff der Schritte.
Ein einfaches Beispiel, das zeigt wie sich Takt und Tempo unterscheiden: Zwei Pferde können zwar das gleiche Tempo haben (sie laufen gleichzeitig bei Punkt A los und kommen gleichzeitig bei Punkt B an), jedoch braucht Pferd 1 dazu 10 Schritte und Pferd 2 braucht 12 Schritte (d.h. Pferd 1 hat einen größeren Raumgriff und einen langsameren Takt (Großpferd); Pferd 2 hat einen kleineren Raumgriff und einen schnelleren Takt (Pony)).
Wird ein Pferd versammelt, verringert sich das Tempo und die einzelnen Phasen eines Schrittes (Stützbeinphase/Hangbeinphase) werden länger, weil der Takt unverändert bleibt (z.B. die kadenzierten Schritte bei einer Passage). Werden im Mitteltrab die Schritte verlängert (bzw. der Raumgriff der Schritte erhöht), erhöht sich zwar das Tempo, weil sich die Gliedmaßen bei einem vergrößerten Raumgriff schneller bewegen müssen um den gleichen Takt zu halten, jedoch kann der Takt auf diese Weise erhalten bleiben.
Den Takt zu halten erfordert von einem Fluchttier, welches dazu gebaut ist in der freien Steppe nur geradeaus zu laufen ein hohes Maß an Koordination und Balance. Schon in „einfachen“ Bahnfiguren wie dem Durchreiten einer Ecke im Arbeitstempo - erst gar nicht zu sprechen von Schlangenlinien, Volten und Tempounterschieden - muss ein Pferd, um seinen Takt zu halten, die inneren Gliedmaßen „langsamer“ bewegen und weniger raumgreifend vorführen, während das äußere Beinpaar mehr Raumgriff entwickeln und schneller bewegt werden muss, um den größeren äußeren Kreisbogen zu überbrücken. Bedenkt man die Schwierigkeiten, denen sich ein Pferd auf Kreisbögen stellen muss, erklärt sich warum „banale“ Bahnfiguren - wie eben das Durchreiten einer Ecke im Takt – auch als Herausforderung gelten.
Auch professionelle Musiker - wie z. B. Klavierspieler – greifen, um den richtigen Takt zu finden und vor allem auch in schwierigen Passagen eines Musikstücks zu halten, auf die Unterstützung eines Metronoms zurück. Auch wenn es recht banal erscheinen mag, so sollten wir uns beim Reiten auch ab und zu kontrollieren in wie weit unser Pferd in der Lage ist mit uns den Takt (und damit sein Gleichgewicht) zu halten. Denn nur auf ein funktionierendes, solides Fundament kann durch weitere Ausbildung vernünftig und gesundheitsschonend aufgebaut werden.
In diesem Sinne: Keep calm and keep your rhythm...