Dr. med. vet. Yvonne Stallknecht 

(ehemals Boekholt)

Chiropraktik und Osteopathie für Pferde

"Ohne Huf kein Pferd" Grundlegende Gedanken zum Thema Huf


Ich muss gestehen, dass ich mich – auch in meinem Studium - nicht vertieft mit dem Thema Hufbearbeitung auseinandergesetzt habe. Nicht zuletzt, weil der Studienplan dies nur sehr eingeschränkt vorsah. Sowieso hielten sich die Informationen über die korrekte Bearbeitung von Hufen, welche wir im Studium gelernt haben, sehr in Grenzen. Anatomisch gesehen konnte und kann ich jede Struktur des Hufes runterbeten, jedoch beschränkten sich die einzigen praktischen Stunden in meinem Studium zum Thema Hufzubereitung auf die einmalige Eisenabnahme und das einmalige Ausschneiden von einem Kadaverhuf. Erst nach meiner Fortbildung zum Veterinärchiropraktor fing ich an mich mehr mit der Bearbeitung von Hufen auseinanderzusetzen. Denn ich begann immer wiederkehrende Probleme des Bewegungsapparates mit der Form – und somit der Belastung - der Hufe in Verbindung zu bringen und fragte mich, wie man eine ungünstige Belastungssituation im Huf mit Veränderungen der Hufform durch die Hufbearbeitung positiv beeinflussen kann. 

Um mein Wissen zu vertiefen besuchte ich auch Fortbildungen zu diesem Thema, die mein Gefühl bestätigten, dass die Wechselwirkung von Hufform und Bewegungsapparat sehr viel größer sind als man vielleicht glauben mag. Leider scheiterten meine Änderungsvorschläge allzu oft an den zuständigen Hufbearbeitern und – teils – dem Verständnis der Besitzer. Hier möchte ich vor allem die Pferdebesitzer sensibilisieren, denn nicht weil etwas immer schon auf eine bestimmte Art gemacht wurde, heißt es automatisch, dass diese Art und Weise richtig ist. Wenn man etwas immer wieder gleich macht, kann man kein anderes Ergebnis erwarten. Um ein anderes Ergebnis zu erhalten, muss man etwas verändern. 

Aus diesem Grund entschlossen wir uns am 4. Mai dieses Jahres der 18-jährigen Stute, um welche ich mich in meiner Freizeit mitkümmere und welche seit 14 Jahren Eisen getragen hat, diese abzunehmen und es ohne Eisen zu versuchen. Da ich mich – wie oben beschrieben – bis dato nicht sonderlich bzw. nur leicht mit dem Thema Hufzubereitung auseinander gesetzt hatte, war auch die Umstellung auf Barhuf für mich völliges Neuland.

Um mehr über das Thema Huf beim Pferd aufzuklären, aber auch um von unseren Erlebnissen, Sorgen und Gedanken zu berichten und vor allem um andere Pferdebesitzer zu ermutigen mehr zu hinterfragen und nicht etwas zu akzeptieren womit man sich nicht 100% wohl fühlt und wenn nötig etwas Neues zu probieren und neue Wege zu gehen, werde ich zukünftig Beiträge mit Fotos rund um das Thema Huf in meinem Block veröffentlichen. 

Zuerst möchte ich jedoch ein paar grundlegende Gedanken zum Thema Huf teilen, die zum Nachdenken anregen sollen.

„Ohne Huf kein Pferd“ den Satz kennt höchstwahrscheinlich fast jeder Reiter.

Dabei wird dem Huf des Pferdes leider häufig wenig Beachtung geschenkt. Aber genauso wie unsere Füße bei zu engen, zu weiten oder – vor allem Frauen bekannt – bei hohen Absätzen nach kurzer Zeit zu schmerzen beginnen, geht es auch Pferden. Jedoch gibt es den großen Unterschied, dass wir nach einer durchtanzten Nacht wohl als erstes, wenn wir nach Hause kommen, die Schuhe ausziehen. Ein Pferd kann das leider nicht. In unserem Schuhschrank befinden sich Schuhe für (fast) alle Lebenslagen: leichte, gut gepolsterte Joggingschuhe mit Geleinlagen für das joggen auf Asphalt, Wanderschuhe mit griffiger, harter Sohle für Schotterpisten in den Bergen, und vor allem auch bequeme Alltagsschuhe.

Der Hornschuh des Pferdes muss alle Eigenschaften dieser Schuhe vereinen. Dabei hat die Natur in der Entwicklung des Hornschuhs eigentlich ein geniales Meisterwerk geschaffen! Eigentlich… Denn das System Hornschuh funktioniert, in dem das Horn genauso schnell nachwächst, wie es durch den Boden bei der Bewegung des Pferdes abgerieben wird. Jedoch hat der Hornschuh des Pferdes einen großen Nachteil gegenüber den Schuhen für Menschen: das Horn lässt sich leicht von physikalischen Kräften, die auf den Huf sowohl von außen, als auch von innen wirken verformen. Wenn wir einen durchgelatschten Schuh haben, in dem wir keinen Halt mehr finden, wird er einfach ersetzt. Das ist beim Pferd nicht möglich, das Pferd muss weiter in diesem ausgelatschten Schuh laufen, denn dieser wächst – einmal in diese unpassende Form gebracht – genauso nach.

Doch woher kommen diese physikalischen Kräfte, die den Hornschuh verformen? Warum wächst der Hornschuh nicht einfach wieder in die „normale“ Form?

Wie oben beschrieben funktioniert das System Hornschuh eigentlich, indem das Horn genauso schnell nachwächst wie es abgerieben wird. Dies setzt aber voraus, dass das Horn gleichmäßig und kontinuierlich durch Bewegung abgerieben wird, wie es bei in der Steppe lebenden Wildpferden der Fall ist. Diese bewegen sich bis zu 18 Stunden am Tag bei der Futtersuche langsam fort.

Leider leben unsere Pferde heutzutage nicht mehr wie Wildpferde. Die Belastung und vor allem die Bewegung haben sich deutlich verändert. Unserer Pferde bewegen sich weniger kontinuierlich, sondern werden für ca. eine Stunde stark beansprucht, danach stehen sie in der Box oder bestenfalls auf der Wiese oder dem Paddock. Aber weder auf Wiese, Paddock und schon gar nicht in der Box bewegen sich Pferde kontinuierlich langsam auf geeignetem Boden gerade aus. Auf diese Weise kann es nicht zu einem kontinuierlichen – und vor allem gleichmäßigen – Abrieb des Horns kommen.

Wenn aber der Abrieb unregelmäßig – an einigen Stellen zu gering, an anderen Stellen des Hornschuhs zu hoch – ist, gerät der Hornschuh außer Form und kann sich unter der Last des Pferdes verbiegen. Denn immerhin lastet auf den Hornschuhen das Gewicht des ganzen Pferdes. Aus diesem Grund lässt sich also leicht erklären warum Hufseitenwände nach außen wegdrücken, Zehen nach vorne ziehen und Trachten „platt gedrückt werden“. An dieser Stelle greift der Hufbearbeiter ein. Ich schreibe bewusst Hufbearbeiter, da es heutzutage eine Vielzahl von Berufen gibt, die sich mit der Bearbeitung von Hufen auseinandersetzen: Schmiede, Huforthopäden, Hufheilpraktiker, Hufpfleger usw.. Jedoch sollten alle das gleiche Ziel verfolgen: Den natürlichen Abrieb des Hornes imitieren, sodass das Horn weiter in seiner physiologischen Form nachwachsen kann.

Ist der Hornabrieb insgesamt zu hoch (oder das Hornwachstum - warum auch immer - herabgesetzt) fehlt es dem Pferd an Hornsubstanz und somit der schützenden Schicht Horn unter seiner empfindlichen Sohle; vergleichbar, als liefen wir auf einmal Barfuß über die Straße. Hier kommt ein Abriebschutz ins Spiel. Ich schreibe auch hier bewusst Abriebschutz, denn genau so groß wie die Zahl der Hufbearbeiter heutzutage ist, ist die Zahl der verschiedenen Möglichkeiten eines Abriebschutzes. Hier reicht die Bandbreite über permanenten Hufschutz wie bei klassische Eisen, Alueisen, Kunsttoffeisen, etc. bis zu temporärem Hufschutz mit Hufschuhen o.ä. 

Jedoch sollte auch bei Verwendung von Hufschutz – egal welcher Form – die eigentlichen Hornschuhe des Pferdes nicht vernachlässigt werden, denn in diesen steht das Pferd zwangsläufig 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Das Beste - in aller Sorgfalt angepasste - Eisen oder der am besten ausgesuchte Hufschuh hilft dem Pferd nicht weiter, wenn es/er an einen verformten, drückenden Hornschuh des Pferdes angepasst ist.